Bundesrat nimmt Neutralitätsbericht an

Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 26. Oktober 2022 den Neutralitätsbericht verabschiedet und festgestellt, dass die heutige Neutralitätspraxis genügend Spielraum bietet, um die Neutralität als Instrument der schweizerischen Aussen- und Sicherheitspolitik im heutigen internationalen Kontext zu nutzen.

Swiss Medal Hans_Herzog Switzerland's General during the Franco-Prussian War 1870 - 1871 Photo by Berlin-George, Public domain, via Wikimedia Commons
Swiss Medal Hans_Herzog Switzerland’s General during the Franco-Prussian War 1870 – 1871 Photo by Berlin-George, Public domain, via Wikimedia Commons

Mit dem Bericht erfüllt der Bundesrat das Postulat der Aussenpolitischen Kommission des Ständerates (22.3385 Klarheit und Orientierung in der Neutralitätspolitik). Er folgt der Stossrichtung, welche der Bundesrat bei seinen Aussprachen zur Neutralität am 31. August und 7. September 2022 festgelegt hat und ist auch vor dem Hintergrund des Zusatzberichts zum Sicherheitspolitischen Bericht 2021 zu verstehen.

Der Bundesrat hat sich letztmals im Rahmen des Neutralitätsberichts 1993 grundlegend mit der Neutralität auseinandergesetzt. Der vorliegende Bericht zur Neutralität und deren Bezug zur Aussenpolitik zeigt die Entwicklung der Neutralitätspraxis der letzten 30 Jahre auf und geht auf die Entscheide des Bundesrats seit Beginn des Ukrainekriegs ein. Die heutige Praxis erlaubt dem Bundesrat einen genügend grossen Handlungsspielraum, um im Einzelfall und unter Berücksichtigung der Weltlage wirksame Entscheide mit Bezug zur Neutralität zu treffen.

Der Bundesrat kommt daher zum Schluss, dass er an der 1993 letztmals festgehaltenen und seither weitergeführten Praxis der Neutralität festhalten will. Der Bundesrat will die Neutralität weiterhin als Instrument der Schweizer Sicherheits- und Aussenpolitik nutzen. Dies mit dem Ziel, Sicherheit, Unabhängigkeit und Wohlstand zu sichern und sich für eine friedliche internationale Ordnung basierend auf Völkerrecht, Menschenrechten und Demokratie einzusetzen.

Damit die Schweizer Neutralität im heutigen internationalen Kontext sowohl in Europa wie global verstanden und anerkannt wird, bleibt es eine wichtige Aufgabe der Schweizer Diplomatie, den Nutzen der Neutralität und ihr Beitrag für die internationale Ordnung aufzuzeigen.

Der Bundesrat wird die Auswirkungen des Ukrainekriegs auf die internationalen Beziehungen weiter analysieren und im Rahmen der aussenpolitischen Strategie eine Auslegeordnung vornehmen, die auch die Neutralität der Schweiz einbezieht.

Bandiera della Confederazione Svizzera
Flagge der Schweizerischen Eidgenossenschaft

Neutralität in Kürze

Die Neutralität ist ein fester Bestandteil der Schweiz und ein fester Wert im Bewusstsein ihrer Bürgerinnen und Bürger.

Ihre Ursprünge gehen auf die Abkehr von der Expansionspolitik nach der blutigen Niederlage des helvetischen Heeres in der Schlacht von Marignano 1515 zurück.

Nach dem Westfälischen Frieden von 1648, der die Unabhängigkeit der Helvetischen Eidgenossenschaft vom Heiligen Römischen Reich sanktionierte, erfolgte die erste ausdrückliche Bekräftigung der Neutralität auf internationaler Ebene mit dem Wiener Kongress von 1815, der anerkannte, dass “die Neutralität und Unverletzlichkeit der Schweiz und ihre Unabhängigkeit von jeglichem fremden Einfluss im Interesse von ganz Europa liegen”.

Mit dem Vertrag von Paris gewährten die europäischen Mächte, die Napoleon besiegt hatten, die immerwährende Neutralität durch ein Abkommen, in dem sich die Eidgenossenschaft im Gegenzug für die Unverletzlichkeit ihres Territoriums verpflichtete, nicht an bewaffneten Konflikten teilzunehmen.

Die immerwährende Neutralität ist ein Grundsatz der schweizerischen Aussenpolitik, der für die Aufrechterhaltung von Frieden und Sicherheit innerhalb und ausserhalb Europas von zentraler Bedeutung ist und die Unabhängigkeit der Schweiz und die Unverletzlichkeit ihres Territoriums gewährleistet. Das Neutralitätsrecht verbietet es der Schweiz, sich an Kriegen zwischen anderen Staaten zu beteiligen.

.Österreichische Neutralität nach dem Einmarsch in die Ukraine

Neutralität in der Bundesverfassung

Die Bundesverfassung sieht vor, dass der Bundesrat und die Bundesversammlung über die Wahrung der Neutralität wachen. Nach dem Willen der Verfassungsgeber gehört die Neutralität weder zu den Zielen des Bundes noch zu den Grundsätzen der Aussenpolitik. Sie stellt ein Mittel im Dienste einer Sache dar.

Das Recht auf Neutralität

Das Neutralitätsrecht, das sich im Wesentlichen auf die Haager Konventionen vom 18. Oktober 1907 und das Völkergewohnheitsrecht stützt, definiert die Rechte und Pflichten eines neutralen Staates. Das wichtigste Recht ist das der Unverletzlichkeit des Territoriums des neutralen Staates. Die wichtigsten Pflichten sind hingegen die folgenden

  • sich von der Teilnahme am Krieg fernzuhalten
  • seine eigene Verteidigung zu gewährleisten
  • die Gleichbehandlung der Kriegführenden bei der Ausfuhr von Kriegsmaterial sicherzustellen
  • die Lieferung von Söldnern an Krieg führende Parteien zu unterlassen
  • sein Hoheitsgebiet nicht den Krieg führenden Parteien zur Verfügung zu stellen

Das Neutralitätsrecht gilt für internationale Konflikte und nicht für interne Konflikte, die die meisten aktuellen Konflikte ausmachen. Eine vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (UNO) beschlossene Militäroperation fällt nicht unter einen internationalen Konflikt im Sinne des Neutralitätsrechts, da der Sicherheitsrat im Auftrag der internationalen Gemeinschaft handelt, um den internationalen Frieden und die Sicherheit wiederherzustellen. Das Neutralitätsrecht hindert neutrale Staaten nicht daran, diese Art von Operationen zu unterstützen.

Die Politik der Neutralität

Die Neutralitätspolitik unterliegt keinen rechtlichen Regeln. Sie fasst die Maßnahmen zusammen, die ein neutraler Staat von sich aus ergreift, um die Berechenbarkeit und Glaubwürdigkeit seiner Neutralität im rechtlichen Sinne zu gewährleisten. Die Umsetzung der Neutralitätspolitik hängt von einer Analyse des jeweiligen internationalen Kontextes ab.

Die Schweiz gibt ihrer Neutralität eine humanitäre und friedliche Ausrichtung, die ihrer Tradition der Guten Dienste und der humanitären Hilfe entspricht. Sie richtet ihre Neutralität auf die Bedürfnisse der internationalen Solidarität aus und stellt sie in den Dienst der Erhaltung von Frieden und Wohlstand.